




Exhibition: Bruch (2025), Historischer Keller, municipal gallery, Berlin (Images: CHROMA)
Work: Das Fieber an den Weidenbaum, 2023, silver willow wood, pigmented wax, fabric ribbons, synthetic hair
DE
Mit ihrer skulpturalen Installation „Das Fieber an den Weidenbaum“ (2025) nimmt Juliane Tübke Bezug auf alte Bräuche, bei denen Menschen durch eine Vielzahl unterschiedlicher Riten versuchten, Krankheiten auf Bäume zu übertragen, um Heilung zu erfahren. Tatsächlich verfügt die Weide über heilende Eigenschaften, die auch auf den menschlichen Körper wirken. Schon seit langer Zeit wird ihre Rinde bei Fieber, Schmerzen und Entzündungen genutzt, da sie Salicin enthält — ein Wirkstoff, der im Körper zu Salicylsäure verarbeitet wird, was als Grundlage für die Synthese von Acetylsalicylsäure, dem Wirkstoff des heutigen Aspirins, diente.
Vor diesem Hintergrund verwundert es wenig, dass die Lebendigkeit und Heilkraft der Weiden in verschiedenen Sagen, Märchen und Bräuchen weitergegeben wurde und teils noch bis heute nachwirkt. Die Denkweise, das eigene Leiden auf einen Baum zu übertragen, mag befremdlich erscheinen, verweist jedoch auf zeitgenössische Praktiken der Ausbeutung, Extraktion und Verdinglichung von Pflanzen, die zumeist als empfindungsunfähig gelten. Zugleich attestieren diese Riten den Weidenbäumen eine enorme Wirkmacht und zeigen die enge, wechselseitige Verbindung zwischen Mensch und Baum in gegenseitiger Übertragung. In ihrer Installation greift Tübke verschiedene Motive ritueller Praktiken auf: Teilweise treten rot leuchtende Maserungen, kerbenartige Einschnitte und um die Stäbe gesponnene Haare hervor, die Assoziationen an Fleisch, Haut und organische Prozesse wecken können. Juliane Tübkes fein gearbeitete Eingriffe vermitteln eine persönliche Verbindung, die den Prozess der Krankheitsübertragung und damit der Heilung zu initiieren scheint.
In „Das Fieber an den Weidenbaum“ (2025) erkundet Juliane Tübke daher die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Pflanze, die sich besonders in Heilprozessen spiegeln, da unsere heutige Medizin ursprünglich zu großen Teilen auf pflanzlichen Wirkstoffen beruht. Zugleich leiden viele Bäume — und Pflanzen im Allgemeinen — unter menschlich verursachten Umweltproblemen, wie der Erderwärmung. So kann der fiebrige Zustand in „Das Fieber an den Weidenbaum“ (2025) auch als aktuelle Folge menschlichen Fehlverhaltens gedeutet werden. Welche Brüche verursachen wir im Verhältnis zur Umwelt, sodass diese Ära aufgrund nicht mehr umkehrbarer Prägungen als Post-Anthropozän bezeichnet wird? Und wie können wir unser Denken neu kalibrieren, um dem Symbiozän (Glenn A. Albrecht) als Zusammenleben in wechselseitiger Verbundenheit und Abhängigkeit gerecht zu werden. (Julia Katharina Thiemann)
EN
With her sculptural installation “Das Fieber an den Weidenbaum” (2025) (The Fever on the Willow Tree), Juliane Tübke draws on ancient customs in which people sought healing by transferring illness to trees through a variety of rituals. The willow, in fact, possesses genuine medicinal properties that also affect the human body. For centuries, its bark has been used to treat fever, pain, and inflammation, as it contains salicin—a substance that is converted in the body into salicylic acid, which later became the basis for synthesizing acetylsalicylic acid, the active ingredient in modern aspirin.
Against this background, it is hardly surprising that the vitality and healing power of willows have been passed down through legends, fairy tales, and folk traditions—some of which still resonate today. The notion of transferring one’s suffering onto a tree may seem strange, yet it points to contemporary practices of exploitation, extraction, and objectification of plants—organisms that are still widely regarded as insentient. At the same time, these rites attest to the willow’s immense agency, revealing a close, reciprocal relationship between human and tree through mutual transmission.
In her installation, Tübke references various motifs of ritual practice: glowing red grain patterns, incision-like carvings, and hair wound around rods evoke associations with flesh, skin, and organic processes. Her finely crafted interventions convey a sense of personal connection, as if initiating a process of illness transference—and with it, healing.
In “Das Fieber an den Weidenbaum”, Juliane Tübke thus explores the manifold interrelations between humans and plants, particularly as they manifest in healing processes—since much of modern medicine is still rooted in plant-derived substances. Yet many trees, and plants more broadly, now suffer from human-induced environmental damage such as global warming. The feverish state in “Das Fieber an den Weidenbaum”(2025) can therefore also be read as a symptom of contemporary human misconduct. What ruptures do we cause in our relationship with the environment—ruptures that have led to an era often described as the Post-Anthropocene, marked by irreversible traces? And how might we recalibrate our thinking to align with the idea of the Symbiocene (Glenn A. Albrecht)—an age of coexistence founded on mutual interconnection and interdependence? (Julia Katharina Thiemann)





Exhibition: Bruch (2025), Historischer Keller, municipal gallery, Berlin (Images: CHROMA)
Work: Das Fieber an den Weidenbaum, 2023, silver willow wood, pigmented wax, fabric ribbons, synthetic hair
DE
Mit ihrer skulpturalen Installation „Das Fieber an den Weidenbaum“ (2025) nimmt Juliane Tübke Bezug auf alte Bräuche, bei denen Menschen durch eine Vielzahl unterschiedlicher Riten versuchten, Krankheiten auf Bäume zu übertragen, um Heilung zu erfahren. Tatsächlich verfügt die Weide über heilende Eigenschaften, die auch auf den menschlichen Körper wirken. Schon seit langer Zeit wird ihre Rinde bei Fieber, Schmerzen und Entzündungen genutzt, da sie Salicin enthält — ein Wirkstoff, der im Körper zu Salicylsäure verarbeitet wird, was als Grundlage für die Synthese von Acetylsalicylsäure, dem Wirkstoff des heutigen Aspirins, diente.
Vor diesem Hintergrund verwundert es wenig, dass die Lebendigkeit und Heilkraft der Weiden in verschiedenen Sagen, Märchen und Bräuchen weitergegeben wurde und teils noch bis heute nachwirkt. Die Denkweise, das eigene Leiden auf einen Baum zu übertragen, mag befremdlich erscheinen, verweist jedoch auf zeitgenössische Praktiken der Ausbeutung, Extraktion und Verdinglichung von Pflanzen, die zumeist als empfindungsunfähig gelten. Zugleich attestieren diese Riten den Weidenbäumen eine enorme Wirkmacht und zeigen die enge, wechselseitige Verbindung zwischen Mensch und Baum in gegenseitiger Übertragung. In ihrer Installation greift Tübke verschiedene Motive ritueller Praktiken auf: Teilweise treten rot leuchtende Maserungen, kerbenartige Einschnitte und um die Stäbe gesponnene Haare hervor, die Assoziationen an Fleisch, Haut und organische Prozesse wecken können. Juliane Tübkes fein gearbeitete Eingriffe vermitteln eine persönliche Verbindung, die den Prozess der Krankheitsübertragung und damit der Heilung zu initiieren scheint.
In „Das Fieber an den Weidenbaum“ (2025) erkundet Juliane Tübke daher die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Pflanze, die sich besonders in Heilprozessen spiegeln, da unsere heutige Medizin ursprünglich zu großen Teilen auf pflanzlichen Wirkstoffen beruht. Zugleich leiden viele Bäume — und Pflanzen im Allgemeinen — unter menschlich verursachten Umweltproblemen, wie der Erderwärmung. So kann der fiebrige Zustand in „Das Fieber an den Weidenbaum“ (2025) auch als aktuelle Folge menschlichen Fehlverhaltens gedeutet werden. Welche Brüche verursachen wir im Verhältnis zur Umwelt, sodass diese Ära aufgrund nicht mehr umkehrbarer Prägungen als Post-Anthropozän bezeichnet wird? Und wie können wir unser Denken neu kalibrieren, um dem Symbiozän (Glenn A. Albrecht) als Zusammenleben in wechselseitiger Verbundenheit und Abhängigkeit gerecht zu werden. (Julia Katharina Thiemann)
EN
With her sculptural installation “Das Fieber an den Weidenbaum” (2025) (The Fever on the Willow Tree), Juliane Tübke draws on ancient customs in which people sought healing by transferring illness to trees through a variety of rituals. The willow, in fact, possesses genuine medicinal properties that also affect the human body. For centuries, its bark has been used to treat fever, pain, and inflammation, as it contains salicin—a substance that is converted in the body into salicylic acid, which later became the basis for synthesizing acetylsalicylic acid, the active ingredient in modern aspirin.
Against this background, it is hardly surprising that the vitality and healing power of willows have been passed down through legends, fairy tales, and folk traditions—some of which still resonate today. The notion of transferring one’s suffering onto a tree may seem strange, yet it points to contemporary practices of exploitation, extraction, and objectification of plants—organisms that are still widely regarded as insentient. At the same time, these rites attest to the willow’s immense agency, revealing a close, reciprocal relationship between human and tree through mutual transmission.
In her installation, Tübke references various motifs of ritual practice: glowing red grain patterns, incision-like carvings, and hair wound around rods evoke associations with flesh, skin, and organic processes. Her finely crafted interventions convey a sense of personal connection, as if initiating a process of illness transference—and with it, healing.
In “Das Fieber an den Weidenbaum”, Juliane Tübke thus explores the manifold interrelations between humans and plants, particularly as they manifest in healing processes—since much of modern medicine is still rooted in plant-derived substances. Yet many trees, and plants more broadly, now suffer from human-induced environmental damage such as global warming. The feverish state in “Das Fieber an den Weidenbaum”(2025) can therefore also be read as a symptom of contemporary human misconduct. What ruptures do we cause in our relationship with the environment—ruptures that have led to an era often described as the Post-Anthropocene, marked by irreversible traces? And how might we recalibrate our thinking to align with the idea of the Symbiocene (Glenn A. Albrecht)—an age of coexistence founded on mutual interconnection and interdependence? (Julia Katharina Thiemann)